Rebecca Serle – In fünf Jahren (dt. von Judith Schwaab) (Rezension)

Buchcover Rebecca Serle In fünf Jahren
(Copyright: btb Verlag)

Erscheinungsdatum Hardcover: 14.06.2022
(btb Verlag, 320 Seiten, ISBN 3442770149)

Erhältlich bei:

Inhalt

Es ist DIE klassische Frage in Vorstellungsgesprächen: Wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren? Und so beginnt auch dieses Buch: Die junge ambitionierte New Yorker Anwältin Dannie hat ein Vorstellungsgespräch in einer renommierten Kanzlei und kann diese Frage mit links beantworten, denn sie hat einen strikten Lebensplan, von dem bisher nie abgewichen wurde. So weiß sie auch bereits im Vorhinein, dass sie den Job bekommen wird und ihr Freund David ihr an diesem Abend einen Heiratsantrag machen wird – und genau so kommt es auch. Womit Dannie aber nicht gerechnet hat, ist der erschreckend real wirkende Traum, den sie in der folgenden Nacht hat: Sie wacht in einer fremden Wohnung auf, in der sich nicht ihr Verlobter, sondern ein anderer Mann befindet, und am Finger trägt sie einen anderen Ring. Ein Blick auf die Nachrichten im Fernsehen zeigt: Es ist derselbe Tag, nur genau fünf Jahre später!

Nach einer Stunde in der fremden Umgebung erwacht sie völlig verwirrt wieder in ihrem eigentlichen Zuhause – aber sie kann den Traum, den sie selbst gar nicht für einen bloßen Traum, sondern eine Zukunftsvision hält, nicht vergessen. Und viereinhalb Jahre später steht sie plötzlich tatsächlich dem unbekannten Mann aus der fremden Wohnung gegenüber – in einer völlig unerwarteten Konstellation, die sie erheblich daran zweifeln lässt, dass in einem halben Jahr tatsächlich alles so sein könnte, wie sie es vermeintlich vorhergesehen hat …

Meine Meinung

Zugegeben, der Plot von „In fünf Jahren“ klingt nach einem klassischen Liebesroman. Man meint sofort zu wissen, wie es weitergeht: Dannie wird zwischen zwei Männern stehen und die einzige interessante Frage wird am Ende sein, ob ihr Traum wirklich ein Blick in die Zukunft war und sie ein halbes Jahr später tatsächlich nicht mehr mit David, sondern mit dem geheimnisvollen Fremden zusammen sein wird, oder doch alles ganz anders kommt. Und solche klassischen Liebesromane lese ich normalerweise gar nicht. Warum habe ich hier eine Ausnahme gemacht?

Zum einen hat mich die Grundidee sehr angesprochen, denn ich überlege mir selbst manchmal, wie es wohl wäre, einen Blick auf den heutigen Tag, den aktuellen Augenblick in genau fünf, zehn oder auch zwanzig Jahren werfen zu können. Sieht man sich dann tatsächlich in einer ganz anderen Umgebung als heute, mit einem oder mehreren Menschen, die man in der Gegenwart noch nicht kennt? Dass genau das der Protagonistin dieses Buches passiert, fand ich erst mal unabhängig davon interessant, dass das Setting und die sich vermeintlich anbahnende Dreiecksgeschichte auf den ersten Eindruck hin ein bisschen lahm wirkten.

Zum zweiten verspricht das Cover zwar eine Liebesgeschichte – „aber nicht die Liebesgeschichte, die du erwartest“. Da ich das in einigen Rezensionen bestätigt fand, wurde meine Neugier geweckt. Und was soll ich sagen – ja, es war tatsächlich weit weg von der Liebesgeschichte, die ich erwartet und eingangs angerissen habe. Ich möchte an dieser Stelle nichts vorwegnehmen, daher nur so viel: Eine klassische Dreiecksgeschichte spielt hier überhaupt keine Rolle. Letztendlich geht es um ein ganz anderes und sehr ernstes Thema, für das eventuell sogar eine Contentwarnung angebracht wäre. Diese genauer zu fassen, fällt mir aber schwer, da sie zu viel verraten würde. Daher belasse ich es an dieser Stelle bei dem Hinweis, dass ein solches für manche Personen potentiell schwieriges Thema behandelt wird – wer grundsätzlich Interesse an dem Buch hat, vor dem Lesen aber doch lieber mehr darüber wissen möchte, kann mich gerne anschreiben.

Rebecca Serle hat mich mit „In fünf Jahren“ unheimlich überrascht. Das Buch hat eine regelrechte Sogkraft auf mich ausgeübt und ich wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht. Dabei gab es viele emotionale Momente, die mich sehr berührt haben. Die Geschichte ist definitiv gut konstruiert und die Auflösung ist überzeugend und abermals überraschend, trotz allem, was vorausgeht.

Für mich wäre es eigentlich ein 5-Sterne-Buch, wenn es nicht einige Punkte gäbe, die mich beim Lesen leider ziemlich gestört haben: zum einen der sehr penetrant geschilderte „New-York-Lifestyle“, den hier ausnahmslos alle Figuren pflegen. Dannie und ihr Freund sind typische Karrieremenschen und arbeiten quasi rund um die Uhr (was Dannie auch sehr gerne und häufig betont). Auf gefühlt jeder zweiten Seite wird die Bestellung irgendeines Take-away-Essens oder der Besuch eines (natürlich sehr exklusiven) Restaurants erwähnt (zum Selbstkochen ist bei der vielen Arbeit ja keine Zeit) – meist unter namentlicher Nennung des jeweiligen Etablissements. Und ohne recherchiert zu haben, ob es diese wirklich gibt, wirkte das auf mich fast schon so, als würde die Autorin bewusst Werbung für diese Läden machen wollen. Ähnlich verhielt es sich mit der Beschreibung der Outfits diverser Personen und der Erwähnung ihrer Labels. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn so etwas hier und da eingeflossen wäre, aber in der Geballtheit fand ich es wirklich lästig, auch wenn ich nur zu gern darüber hinweggesehen hätte.

Des Weiteren wird auch die Stadt selbst sehr detailliert beschrieben – so detailliert, dass man wohl selbst lange in New York gelebt haben muss (… oder nebenbei Google Maps geöffnet haben sollte), um mit den vielen Straßennamen und Orientierungspunkten etwas anfangen zu können (und nein, hier rede ich nicht von der Fifth Avenue oder dem Empire State Building 😉 ). Dem Großteil der Lesenden, die vielleicht höchstens mal ein paar Tage Urlaub in New York gemacht haben, bietet das aus meiner Sicht überhaupt keinen Mehrwert. Natürlich kann man das aber auch völlig anders sehen und manchen Leser:innen – vielleicht Fans von „Sex and the City“? 😉 – gefällt eventuell gerade der New-York-Spirit, der hier in allen Facetten heraufbeschworen wird.

Thalia
(*)

Fazit

Weil mich „In fünf Jahren“ emotional so angesprochen hat, kann ich für das, was mich gestört hat, nicht mehr als einen halben Punkt abziehen. Abgesehen davon war es nämlich wirklich eine runde und mitreißende Geschichte, und aufgrund der Zukunftsvision als Dreh- und Angelpunkt fühlte es sich für mich stellenweise ein bisschen so an wie das Buch, das ich selbst gern geschrieben hätte. Es würde dann allerdings nicht in New York spielen. 😉

Ich kann nur empfehlen, „In fünf Jahren“ nicht im Vorhinein als typischen Liebesroman abzustempeln und sich darauf einzulassen – der Zusatz auf dem Cover verspricht definitiv nicht zu viel.

Bewertung

(Danke an den btb Verlag und das Bloggerportal für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

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