Judith Holofernes – Die Träume anderer Leute (Rezension)

Judith Holofernes Die Träume anderer Leute
(Copyright: Kiepenheuer & Witsch)

Erscheinungsdatum: 08.09.2022
(Kiepenheuer&Witsch, 416 Seiten, ISBN 3462003674)

Erhältlich bei:

Inhalt

Judith Holofernes ist als Mitglied der Band Wir sind Helden in den 2000er Jahren bekannt geworden. Mit Pola Roy, ihrem Ehemann und Schlagzeuger der Band, hat sie zwei Kinder bekommen und musste schnell feststellen, dass sich der Alltag irgendwo zwischen Tourbus und Konzerthallen für eine junge Familie schwierig gestaltet. 2012 folgte schließlich das Aus der Band. Seitdem sind 10 Jahre vergangen – und in diesem Buch erfahren wir, wie das Leben für Judith Holofernes abseits des Rampenlichts auf den ganz großen Bühnen weiterging.

Meine Meinung

Ich war nie ein Fan von Wir sind Helden – ehrlicherweise habe ich ihre Musik, bis auf wenige Ausnahmen, sogar explizit nie gemocht. Und dennoch: In meiner Generation kam man nicht darum herum, dass einige ihrer Lieder einen durch prägende Zeiten begleitet haben, weil sie damals eben einfach überall liefen. So setzt zum Beispiel „Denkmal“ rückblickend meiner Abi-Zeit ein selbiges, „Nur ein Wort“ erinnert mich an die erste Zeit meines Studiums. Das Lebensgefühl von damals kommt zurück, wenn ich Wir sind Helden höre – ob mir das gefällt oder nicht. 😉

Die Autobiographie von Judith Holofernes interessierte mich nun in erster Linie aus dem Grund, dass ich es schon immer spannend fand, was Popstars eigentlich so machen, wenn der ganz große Ruhm vorbei ist. Klar, manche treten von Zeit zu Zeit noch mit den alten Liedern in Comeback- oder Nostalgieshows im Fernsehen auf, sorgen für Negativ-Schlagzeilen in der Klatschpresse und/oder setzen sich irgendwann den goldenen Schuss. Aber nicht wenige leben danach wahrscheinlich ein mehr oder weniger normales Leben, sei es weiterhin als Künstler*in mit einer geschrumpften Fanbasis oder eben ganz anders.

Judith Holofernes ist Künstlerin geblieben. Dass ihr das, auch finanziell, überhaupt möglich war, hat sie sich in der „Heldenzeit“ hart erarbeitet, und gleichzeitig ist es natürlich ein riesengroßes Privileg – im Buch wurde für mich deutlich, dass ihr beides auch sehr bewusst ist. Und so folgten zwei Soloalben, Bücher mit Tiergedichten, Bloggertätigkeiten. Das alles natürlich weiterhin als Mutter von zwei Kindern, und der Spagat, den ihr die Vereinbarung von Familie und Beruf nach wie vor abverlangt, wird nicht nur zwischen den Zeilen spürbar und ist wahrscheinlich gar nicht so weit von dem entfernt, was auch viele Menschen mit „bodenständigeren“ Berufen erleben.

Wir erhalten in diesem Buch einen sehr ehrlichen und tiefgründigen Einblick in Judith Holofernes‘ Seelenleben. Gesundheitliche Probleme körperlicher und psychischer Art, die sowohl sie selbst als auch ihren Mann im Laufe der Jahre immer mal wieder betrafen, werden ebenso wenig verschwiegen wie die Therapieformen, mit denen dagegen angegangen wurde. Und an dieser Stelle wirkte auf mich vieles dann doch sehr weit weg von der Lebensrealität der meisten anderen Menschen. Dafür kann Judith Holofernes natürlich nichts, schließlich kann und will sie nur schildern, was sie selbst erlebt hat – mir stieß aber einfach die Selbstverständlichkeit auf, mit der einige doch sehr ungewöhnliche (und vermutlich auch sehr kostspielige) Therapieformen als Normalität dargestellt werden.

Dass Judith Holofernes mit Sprache umgehen kann, merkte man natürlich schon ihren Liedtexten an, und ihr Buch steht dem in nichts nach. Ich hatte großes Vergnügen an ihrer Art zu schreiben, der Wortgewandtheit und dem hintergründigen Sprachwitz. Inhaltlich gab es für meine Begriffe ein paar Längen – jedoch erkenne ich es bei Autobiographien an, dass der/die Verfasser*in die Hoheit über die Ausführlichkeit der Schilderungen bestimmter Ereignisse aus dem eigenen Leben hat und auch behalten soll.

Thalia
(*)

Fazit

Wenn dieses Buch eins geschafft hat, dann ist es, mir Judith Holofernes näherzubringen und sympathischer zu machen, als es ihre Musik je vermochte – und am Ende habe ich mich darüber  gefreut, wie sie für sich einen Ausweg aus dem Dilemma des Erfolgsdrucks von Plattenfirmen und Management gefunden hat, um weiter Kunst zu machen, die sicherlich nach wie vor viele Menschen bereichert. Sie lebt nun eben nicht mehr nur „Die Träume anderer Leute“, sondern ihre eigenen – und das sowie auch der harte Weg dahin verdienen Anerkennung.

Bewertung

(Danke an Kiepenheuer & Witsch und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

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