JP Delaney – Tot bist du perfekt (dt. von Sibylle Schmidt) (Rezension)
Erscheinungsdatum Paperback: 09.03.2020
(Penguin Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3-328-10459-9)
Erscheinungsdatum Taschenbuch: 09.11.2021
(Penguin Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3-328-10787-3)
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Inhalt
Abbie erhält einen Heiratsantrag – doch anscheinend war das nur ein Traum, denn wenige Augenblicke später erwacht sie in einem Krankenhaus. Hatte sie etwa einen Unfall, lag sie im Koma?
In Wirklichkeit ist Abbie längst verheiratet und an ihrem Bett steht ihr Mann Tim, ein berühmter Software-Unternehmer, der sich freudig überwältigt von ihrem Erwachen zeigt. Und dann eröffnet er Abbie etwas Ungeheuerliches: Angeblich ist sie nicht die Frau, mit der er verheiratet war, sondern nur eine lebensechte Nachbildung von ihr, denn Abbie ist tatsächlich vor einigen Jahren verstorben.
Wer (oder was?) in dem vermeintlichen Krankenhausbett liegt, ist ein Roboter mit künstlicher Intelligenz, in den Erinnerungen der echten Abbie hochgeladen wurden. Und zwar auf so ausgeklügelte Weise, dass auch „Roboter-Abbie“ ein Bewusstsein und Empathie entwickelt hat. Wie wird sie damit umgehen, dass Tim sie „erschaffen“ hat? Warum hat er das überhaupt getan, und wie wird ihr kleiner autistischer Sohn Danny auf seine „neue Mutter“ reagieren?
Meine Meinung
Der Klappentext verrät nicht, dass „Tot bist du perfekt“ von Robotern und KI handelt. Da das aber dennoch schon auf den ersten drei Seiten des Buchs klar wird, habe ich mir die Freiheit genommen, es direkt zu erwähnen und auch nicht als Spoiler zu kennzeichnen. Tatsächlich bin ich sogar der Meinung, dass man es wissen sollte, bevor man zu diesem Buch greift, denn die Thematik ist sicherlich nicht für jede*n etwas. Auch ich war zunächst nicht unbedingt positiv überrascht darüber, habe mich aber darauf eingelassen – und wurde mit einer sehr spannenden Geschichte belohnt, die aus meiner Sicht nicht nur etwas für Science-Fiction-Fans ist.
Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Eine ist die Gegenwart von „Roboter-Abbie“, die durchgängig in der zweiten Person angesprochen wird. Als Leserin hatte ich das Gefühl, dadurch selbst in die Geschichte gezogen zu werden, und ertappte mich mehrfach dabei, mit einem Roboter mitzufühlen. Auch diese eher ungewöhnliche Perspektive findet vielleicht nicht jede*r gut, mir hat sie aber gefallen – und am Ende ergibt sie auch noch einen Sinn, den man vorher beim Lesen nicht erahnen konnte.
Die zweite Ebene wird aus der Sicht von jemandem geschildert, der in der Vergangenheit das Geschehen in Tims Software-Unternehmen beobachtet hat– vielleicht ein Mitarbeiter oder jemand anderes; auch das bleibt lange offen und soll hier deshalb nicht verraten werden. In diesem Erzählstrang wird berichtet, wie Tim die „echte“ Abbie kennengelernt hat und wie in seiner Firma die Entwicklung von Verkaufsrobotern, sog. „Shopbots“, vorangetrieben wurde. Lief das ab einem gewissen Zeitpunkt aus dem Ruder, oder wie entstand die Idee, irgendwann reale Personen nachzubilden …?
JP Delaney baut im gesamten Buch konstant Spannung auf und ließ mich immer wieder rätseln, was denn nun wirklich mit der „echten“ Abbie passiert ist und wie es mit ihrem „Roboter-Ich“ weitergehen wird. Besonders ins Herz geschlossen habe ich dabei Danny, den kleinen autistischen Jungen, der fast ausschließlich über Dialoge aus „Thomas, die kleine Lokomotive“, seiner Lieblingsbuchreihe, kommunizieren kann. Nebenbei erfährt man in dem Buch auch einiges über zum Teil schockierende Behandlungsversuche für Autismus. Das ist besonders berührend unter dem Aspekt, dass der Autor selbst einen autistischen Sohn hat, wie er im Nachwort preisgibt.
Der Sprachstil ist recht einfach gehalten. Das war für mich kein Problem – im Gegenteil, denn von Thrillern erwarte ich in erster Linie Spannung und möchte beim Lesen schnell zur Auflösung gelangen. Dabei sind verschnörkelte Sätze, die man dreimal lesen muss, eher hinderlich. 😉 Sibylle Schmidt hat das Buch für meine Begriffe sehr gut und stimmig ins Deutsche übertragen, sodass es sich sehr flüssig lesen ließ.
Ich fand das Buch durchgängig fesselnd und auch das Ende hat mich überzeugt. Die interessantesten Plot-Twists kamen zwar alle erst auf den letzten ca. 50 Seiten, und den einen oder anderen davon hatte ich bereits vorausgeahnt, aber das störte mich nicht weiter. Ich fand die Story trotz des für mich sehr ungewohnten Themas überragend und habe nichts daran auszusetzen.
Fazit
„Tot bist du perfekt“ – den Titel und, wie bereits angemerkt, auch den Klappentext dieses Buchs finde ich etwas unglücklich gewählt, da beides falsche Erwartungen bei Interessierten wecken kann. Auch ich hatte mir eine ganz andere Thematik vorgestellt – und vielleicht hätte ich das Buch auch nicht gelesen, wenn ich gewusst hätte, worum es tatsächlich geht. Das wäre aber sehr schade gewesen, denn es hat mich von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt.
Ich hatte mit „Du gehörst uns“ bereits ein anderes Buch von JP Delaney gelesen, und wer einen „normalen“ Thriller mit (mehr oder weniger) „normalen“ Menschen lesen möchte, sollte eher dazu greifen. „Tot bist du perfekt“ empfehle ich hingegen allen, die Science Fiction ohnehin mögen, sowie allen, die sich einfach mal auf „was anderes“ außerhalb des üblichen 08/15-Thrillers einlassen möchten – es lohnt sich!
Bewertung
(Danke an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar. Keine weitere Vergütung erhalten.)