Eva Lohmann – Das leise Platzen unserer Träume (Rezension)
Erscheinungsdatum: 31.08.2023
(Eisele Verlag, 224 Seiten, ISBN 3961611726)
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Inhalt
Jule hat einst vom perfekten Familienglück geträumt: ein Haus auf dem Land mit einem großen Garten voller Kinder. Das Haus hat sie zwar mit ihrem Mann David zusammen bezogen, aber Kinder sind nicht gekommen – und schleichend hat sich das Paar auseinandergelebt und hat inzwischen nicht mal mehr Sex. Zumindest nicht miteinander: David hat stattdessen nun eine Affäre in der Stadt mit der zweifachen Mutter Hellen, die sehr viel über Jule nachdenkt und ihr hinterherspioniert – zuerst online und dann auch im „richtigen Leben“ …
Meine Meinung
Eva Lohmann erzählt ihren Roman abwechselnd aus Jules und Hellens Sicht. Von Jule hören wir dabei in den entsprechenden Abschnitten aus der dritten Person; Hellen schildert ihren Teil der Geschichte selbst und spricht Jule dabei durchgängig an. Denn Hellen stellt sich viele Fragen und artikuliert das, worüber sich auch viele Leser*innen wundern dürften: Was hält Jule und David überhaupt noch zusammen, wo ihre gemeinsamen Träume doch leise, aber unverkennbar geplatzt sind und neue nicht in Sicht sind? Die Sprachlosigkeit und das „Umeinander-herum-Geeiere“ der beiden wird so spür- und erlebbar, dass es schmerzt.
Mir hat der Wechsel zwischen den beiden Perspektiven sehr gut gefallen, und ich konnte mich gut in beide Frauen hineinversetzen. Hellen ist nicht „die Böse“, die Jule etwas wegnehmen möchte und sich in ihre Ehe drängt, und umgekehrt wird auch Jule nicht ausschließlich als arme Betrogene dargestellt.
Das Konstrukt ist in sich viel komplizierter als eine „übliche“ Dreiecksgeschichte, es geht um die Suche nach Freiheit und Selbstbestimmung, die Frage, wie es dort weitergehen kann und soll, wo eben nicht alles nach Plan verläuft, und nicht zuletzt um eine Bestärkung für Frauen, unabhängig von Beziehungen ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Der Mann spielt hier am Ende nur eine untergeordnete Rolle und stellt zwar die Verbindung zwischen beiden Frauen her, ist aber keinesfalls der Fixpunkt, um den alles kreist, wie es sonst häufig in Geschichten mit ähnlichen Ausgangslagen dargestellt wird.
Eva Lohmann ist eine feine Beobachterin von Gefühlen und leisen Zwischentönen, aber dabei plätschert die Geschichte an keiner Stelle einfach nur so vor sich hin. Mehr als einmal wurden beim Lesen in mir Erinnerungen an „Nebenan“ von Kristine Bilkau wach, ein Roman, den ich im letzten Jahr ebenfalls sehr gern gelesen habe. Ich will gar keine großen Vergleiche anstellen, weil die Geschichten letztlich trotz einer ähnlichen Grundstimmung doch sehr unterschiedlich sind, aber: Leser*innen, denen „Nebenan“ vielleicht etwas zu viel Beobachtung und zu wenig Handlung enthielt, werden „Das leise Platzen unserer Träume“ möglicherweise zugänglicher finden, denn hier passiert auch im Außen mehr.
Ein großartig erzähltes Buch mit einem Ausgang, den ich so nicht vorhergesehen hatte – das rundete die Geschichte perfekt ab und hinterließ einen durchgängig positiven Eindruck.
Fazit
„Das leise Platzen unserer Träume“ kommt, wie der Titel es bereits verheißt, auf leisen Sohlen daher, entwickelt aber trotzdem eine ungeahnte Wucht und traf bei mir voll ins Schwarze. Am Ende hätte die Geschichte vielleicht sogar ein paar Seiten länger sein dürfen – aber nur, weil ich sie so gerne gelesen habe, und nicht etwa, weil ich das Gefühl gehabt hätte, es würde noch etwas fehlen. Große Erzählkunst und eine unwiderstehlich kreierte Stimmung lassen mich eine große Leseempfehlung aussprechen – ich habe hier mit ziemlicher Sicherheit eines meiner Jahreshighlights gelesen.
(Danke an den Eisele Verlag und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)