Caroline Wahl – 22 Bahnen (Rezension)

Buchcover Caroline Wahl 22 Bahnen
(Copyright: DuMont Buchverlag)

Erscheinungsdatum: 18.04.2023
(DuMont Buchverlag, 208 Seiten, ISBN 978-3832168032))

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Inhalt

Tilda schwimmt immer genau 22 Bahnen im Schwimmbad, und auch sonst hat sie ein ausgeprägtes Faible für Zahlen und – notgedrungen – auch eine strikte Durchtaktung ihres Alltags. Neben dem Mathematikstudium arbeitet sie an der Supermarktkasse und ersetzt ihrer jüngeren Schwester Ida die Mutter, denn ihre „richtige“ Mutter ist schwer alkoholkrank und lässt ihre Wut auch schon mal an ihren Töchtern aus.

Als Tilda das Angebot für eine Promotionsstelle in Berlin bekommt, steht sie vor einer schweren Entscheidung – kann sie Ida und ihre Mutter und überhaupt ihr „altes“ Leben in der Kleinstadt zurücklassen?

Meine Meinung

„22 Bahnen“ ist als Debütroman der jungen Autorin Caroline Wahl im Sommer 2023 omnipräsent in den sozialen Medien, und die Stimmen sind größtenteils positiv. Klar, dass ich mir mein eigenes Urteil bilden musste.

Das fällt allerdings gemischt aus. Ja, Tilda und Ida sind sympathische und starke Figuren, keine Frage. Ich muss allerdings gestehen, dass ich zunächst einem Lesefehler aufgesessen war und Ida nicht für eine Fünftklässlerin, sondern eine Fünfjährige hielt – über weite Strecken des Buchs fand ich das auch ziemlich plausibel, ihre Entwicklung zum Ende hin dann aber recht unglaubwürdig. Als ich doch noch verstand, dass sie ca. 11 und nicht etwa 5 Jahre alt sein soll, wurde es zwar etwas logischer; ganz realistisch schien es mir aber doch nicht, wie beinahe schon erwachsen sie ab einem bestimmten Zeitpunkt agiert.

Ansonsten fand ich die Geschichte zwar berührend, aber irgendetwas hat mir gefehlt. Vielleicht eine gewisse Tiefe in der Beschreibung der alkoholkranken Mutter. Oder – statt bei Ida oder zusätzlich zu ihr – eine größere Entwicklung von Tilda. Sie ist immerhin kein Teenie mehr, sondern eine erwachsene junge Frau – gäbe es nicht Möglichkeiten, für Ida eine bessere Lösung zu organisieren, als sie bei einem Weggang nach Berlin einfach in der Obhut der Mutter zu lassen? Und wieso scheint der Konsum anderer Drogen für sie in ihrem Umfeld völlig normal zu sein und „dazuzugehören“, wo sie doch zu Hause täglich sieht, was eine Sucht anrichten kann?

Caroline Wahls Schreibstil ist modern, jugendlich – und für mich an einigen Stellen zu sehr über das Ziel hinausgeschossen. Dass Gespräche oftmals im Drehbuchstil wiedergegeben werden (Ida: … – Ich: …) ist eine Besonderheit, die mich weniger störte – im Gegensatz zu Schreibweisen wie „1-mal“ statt „einmal“. Hier habe ich mich gefragt, was die Intention dahinter war, und es behinderte oftmals meinen Lesefluss.

Kein Buch, das sich vorwiegend an Jugendliche wendet – so wirkte dieser Roman jedenfalls auf mich – scheint ohne Liebesgeschichte auskommen zu können, und dieses Klischee erfüllt leider auch „22 Bahnen“. Ich fand das eher überflüssig und hätte mir stattdessen etwas mehr Tiefgang in der Beschreibung der Interaktion mit der alkoholkranken Mutter gewünscht. So blieb mir „22 Bahnen“ am Ende zu sehr an der Oberfläche, und richtig warm wurde ich mit Tilda als Protagonistin nicht. Lediglich die kleine Ida schlich sich in mein Herz, und an mehr als einer Stelle habe ich überlegt, was aus ihr bei diesem Hintergrund einmal werden könnte.

Thalia
(*)

Fazit

„22 Bahnen“ ist ein mit 208 Seiten eher kurzer, aber eindringlicher Roman, der für mich auch nicht länger hätte ausfallen müssen – stattdessen hätte ich mir zum Teil andere Schwerpunkte gewünscht. In die allgemeinen Lobeshymnen kann ich somit leider nicht einstimmen, vielleicht haben sie meine Erwartungen auch zu hoch gesetzt. Für mich eine solide Geschichte, die ich in erster Linie Jugendlichen empfehlen würde.

(Danke an Netgalley und den DuMont Buchverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

Bewertung

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2 Kommentare

  1. Danke für dieses Buch!
    Bewundernswert, dass eine junge Frau so tiefersinnig, mitfühlend und in so einer schönen Sprache schreiben kann.

  2. Ich habe mich gefragt, warum mich das Buch so gepackt hat. Sprachlich ist es nichts besonderes. Ich glaube, es ist die Beziehung der beiden Schwestern, die das Buch so einmalig macht. Heute, in einer Zeit, wo Egoismus eigentlich das Normale ist, gibt es im Buch eine Tilda, die so gut und liebevoll zu ihrer kleinen Schwester schaut. Das berührt einem wirklich. Sie stellt Alles zurück, damit die kleine Ida ein bisschen Normalität daheim hat. Sie überlegt sich, was sie machen muss, dass Ida nachher auch einmal allein mit der Mutter zurecht kommt. Es stimmt, es ist ein typischer Bestseller und klar ist auch, dass Caroline Wahl nie den deutschen Bücherpreis gewinnen wird. Sie ist eine junge , tolle selbstbewusste Frau und das macht sie auch zu einem wichtigen Vorbild für junge Frauen.

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