Alexa Hennig von Lange – Die karierten Mädchen (Rezension)

Buchcover Alexa Hennig von Lange Die karierten Mädchen
(Copyright: DuMont Buchverlag)

Erscheinungsdatum: 02.08.2022
(DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG, 368 Seiten, ISBN 978-3832181680)

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Inhalt

Klara, über 90 Jahre alt, ist nahezu blind und kann ihre Erinnerungen nicht mehr aufschreiben – also nimmt sie sie auf Kassetten auf. Ein heikles Unterfangen, weiß doch nicht mal ihre Familie über das dunkle Kapitel in ihrem Leben Bescheid, das sie auf den Tonbändern festhält.

Dabei hat doch alles ganz harmlos begonnen: In den frühen 1930er Jahren wird Klara erst Lehrerin, später Leiterin in einem Kinderheim und nimmt das kleine jüdische Waisenmädchen Tolla als Ziehtochter an. Doch die Situation spitzt sich schnell zu: Nach der Machergreifung der Nazis wird das Mädchenheim immer nationalsozialistischer geprägt. Zwar teilt Klara die Ansichten der neuen Regierung nicht, kann aber (vermeintlich) nicht anders, als sich ihr anzupassen, wenn das Heim bestehen bleiben soll – wie kann es unter diesen Umständen mit Klaras Tochter weitergehen?

Meine Meinung

Alexa Hennig von Langes Ansatz, einmal keine Heldengeschichte  – z. B. über Widerstandskämpfer*innen – aus dem Dritten Reich zu erzählen, sondern jemanden aus der breiten Masse, eine klassische Mitläuferin, herauszugreifen, fand ich zunächst einmal spannend. Meiner Meinung nach kann aus heutiger Sicht niemand mit Bestimmtheit sagen, dass er oder sie damals unter bestimmten Umständen nicht genauso gehandelt hätte.

Dennoch war mir Klara zu naiv gezeichnet. Doch, sie hätte früher merken können, in welche Richtung ihr Heim unweigerlich driften würde, sobald es verstaatlicht wird. Und die Art, wie sie letztlich ihre Tochter „loswird“ – wenn auch unter der Vorgabe, sie zu schützen – kann durchaus unterschiedlich interpretiert werden. Will Klara vielleicht auch einfach ihre eigene Karriere nicht gefährden, indem sie nicht einmal versucht, Tolla weiterhin vor Ort zu verstecken?

Auch, dass Klara am Ende völlig entsetzt ist, als ihr Heinrich Himmler persönlich die Leitung eines Lebensbornheims anbietet, wirkt befremdlich. Erscheint ihr ihre Arbeit in dem immer stärker nationalsozialistisch geprägten Mädchenheim tatsächlich als etwas völlig anderes? Dann scheint hier ein starker Verdrängungsmechanismus am Werk zu sein, der ihr Handeln aber keineswegs entschuldigt.

„Die karierten Mädchen“ ist der Auftakt einer Trilogie, die Alexa Hennig von Lange anhand von Erinnerungen ihrer eigenen Großmutter verfasst hat. Klara ist dennoch eine fiktive Figur, denn ein für die Geschichte sehr wichtiger Aspekt entspricht nicht den realen Geschehnissen: Das jüdische Waisenmädchen ist erfunden, wie wir im Nachwort erfahren.

Fand ich es einerseits interessant, dass sich die Autorin auf diese Weise der eigenen Familiengeschichte annähern wollte, ohne sie in allen Details preiszugeben, so hat mich gerade diese „künstlerische Freiheit“ auch ziemlich enttäuscht. Die Figur der Tolla wirkte auf mich damit zu sehr wie der krampfhafte Versuch einer Rechtfertigung für Klaras Handeln. Für mich war es einfach nicht stimmig, einen solch entscheidenden Punkt dazu zu erfinden, auch wenn ich verstehen kann, dass einer auf der eigenen Großmutter basierenden Romanfigur auch positive Eigenschaften zugesprochen werden sollen. Dennoch stellt sich mir die Frage, warum dann überhaupt in dieser Form und in so enger Anlehnung an reale Geschehnisse eine Geschichte erzählt werden muss, die das Handeln der Hauptperson verharmlost.

Ein paar Worte noch zum Aufbau des Buchs: Normalerweise mag ich es, wenn Geschichten auf zwei Zeitebenen erzählt werden. Leider brachte der Gegenwartsstrang hier aus meiner Sicht keinen Mehrwert. Die ältere Klara bekommt relativ zusammenhanglos Besuch von einer ihrer Töchter und sucht mehrmals ihre Nachbarin auf – eigentlich, damit diese ihr einen Brief ihres verstorbenen Mannes vorliest, wozu es aber nie kommt. Gut möglich, dass dieser Erzählstrang in den Fortsetzungen mehr Bedeutung erhält; in diesem ersten Teil fand ich ihn leider eher ermüdend (auch wenn die Passagen recht kurz gehalten sind). Dasselbe gilt auch für zahlreiche Wendungen, die immer wieder wiederholt werden, allen voran „ihr kleiner Lehrer“ für Klaras bereits erwähnten Ehemann – das mochte ich irgendwann wirklich nicht mehr lesen.

Thalia
(*)

Fazit

„Die karierten Mädchen“ bietet einen interessanten Ansatz, aber leider fand ich die Umsetzung nicht gelungen. Ob ich herausfinden möchte, wie es mit Klara weitergeht, halte ich mir derzeit noch offen. Der erste Band der Trilogie hat mich leider nicht überzeugt.

Bewertung

(Danke an den DuMont Buchverlag und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

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