Fatma Aydemir – Dschinns (Rezension)

Buchcover Fatma Aydemir Dschinns
(Copyright: Carl Hanser Verlag)

Erscheinungsdatum: 14.02.2022
(Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 368 Seiten, ISBN 978-3446269142)

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Inhalt

Hüseyin hat 30 Jahre in Deutschland gearbeitet. Mit Ende 50 kann er sich endlich die Eigentumswohnung in Istanbul leisten, von der er immer geträumt hat – und verstirbt an einem Herzinfarkt, noch bevor er mit seiner Familie dort einziehen kann. Seine Familie, das sind seine Frau Emine und die Kinder Ümit, Sevda, Peri und Hakan. Allen von ihnen ist ein eigenes langes Kapitel in dem Buch gewidmet, und nach und nach setzt sich die Familiengeschichte zusammen. Welche Geheimnisse hatten und haben die Mutter und die Geschwister voreinander, womit hadern sie, was hat zu der Familienkonstellation geführt, in der sie sich heute befinden?

Meine Meinung

„Dschinns“ stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2022, und lange Zeit dachte ich beim Lesen, dass das vollkommen berechtigt ist. Fatma Aydemir schafft es, allen Familienmitgliedern eigene Stimmen zu geben und ihre Geschichten so glaubhaft zu erzählen, dass man das Gefühl hat, persönlich mit ihnen zu sprechen.

Dass bei der Geschichte einer türkisch-/kurdischstämmigen Familie in Deutschland das Thema Rassismus eine große Rolle spielt, ist – leider – nicht weiter verwunderlich. Große Teile spielen in den frühen 1990er Jahren zur Zeit der Anschläge von Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen, und auch das Haus, in dem Sevda, die älteste Tochter, mit ihrer eigenen kleinen Familie lebt, wird angezündet. Das Grauen und die Angst, die viele Menschen mit Migrationshintergrund damals in Deutschland verspürt haben müssen, werden greifbar.

Überhaupt, Sevda: Ihre Geschichte hat mich vielleicht am meisten berührt. Gefangen in einer unglücklichen Ehe, mit zwei kleinen Kindern und trotz der eben geschilderten Ereignisse, verliert sie nie ihren Lebensmut und kann sich schließlich befreien. Auch Ümit, der jüngste Bruder, der langsam und widerwillig seine Homosexualität entdeckt, machte großen Eindruck auf mich. Über ihn hätte ich gern noch mehr gelesen.

Lieber vielleicht sogar als über seine Geschwister Peri und Hakan. Ich kann an dieser Stelle nicht zu viel verraten, ohne zu spoilern, aber etwa ab der Mitte von Peris Geschichte bekam ich den Eindruck, dass doch etwas „zu viele“ Themen in diesem Roman ihren Platz finden sollten. Dieses Gefühl wurde ich leider bis zum Ende nicht mehr los, das mich dann auch nicht überzeugte. Zu übertrieben lösen sich meiner Meinung nach am Schluss einige Stränge auf, die zwar alles erklären mögen, in der Geballtheit aber nicht mehr realistisch wirkten. Mir hätte es gereicht, einfach nur eine „normale“ (Gastarbeiter-)Familiengeschichte zu lesen, da allein dieser Stoff für meine Begriffe mehr als genug Potenzial dazu gehabt hätte, die Botschaft zu vermitteln, die letztendlich gefühlt mit dem Holzhammer überbracht wird.

Auch hätte es mir besser gefallen, wären am Ende noch alle Familienmitglieder anwesend gewesen und hätten Emines Geschichte gehört, die das Abschlusskapitel des Buchs bildet. Die Reaktionen einiger weiterer Personen auf die „Enthüllungen“ am Schluss hätten mich dann doch sehr interessiert.

Thalia
(*)

Fazit

„Dschinns“ hat mir über weite Strecken sehr gut gefallen, ist wahnsinnig gut erzählt und behandelt wichtige Themen – und doch war es mir am Ende zu viel, zu überladen. Ein für mich stimmigerer Schluss hätten mich hier ohne zu zögern die volle Punktzahl vergeben lassen, so gibt es einen Stern Abzug – aber dennoch eine große Empfehlung.

Bewertung

(Danke an den Carl Hanser Verlag und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

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